von Rechtsanwalt Dirk Hinne, Dortmund
Am 01.01.2017 tritt die durch Verordnung vom 08.11.2016 geänderte Verordnung über die Gewährung einer monatlichen Unterhaltsbeihilfe für Rechtsreferendarinnen und Rechtsreferendare in Kraft. Damit ändert sich die Rechtslage für Ausbilder (Anwaltskanzleien und Unternehmen), die ihnen zur Ausbildung zugewiesenen Referendaren Zusatzentgelte oder Entgelte für Nebentätigkeiten neben der Stationsausbildung zahlen.
I.     Bisherige Rechtslage
Zur Zeit müssen die Ausbilder aufgrund der von ihnen gegenüber der Justizverwaltung abgegebenen Freistellungs-Verpflichtungserklärungen selbst für die Abführung von Sozialversicherungsabgaben Rechnung tragen. Mit Urteil vom 31.03.2015 – B 12 R 1/13 R – hat das Bundessozialgericht jedoch entschieden, dass die Referendarausbildung ein einheitliches Ausbildungsverhältnis darstellt, so dass alleiniger Schuldner der Sozialversicherungsabgaben aus allen gezahlten Entgelten das Land (im zu entscheidenden Fall die Stadt Hamburg) ist. Sozialversicherungsrechtlich sind die Freistellungsverpflichtungen deshalb unwirksam. Über die schuldrechtliche Wirksamkeit hatte das Bundessozialgericht nicht zu entscheiden.
Aufgrund der Veröffentlichung dieser Entscheidungen in der legal tribune online sehen sich die Länder Regressprozessen in erheblicher Höhe gegenüber. Zwar ist die Gesamtrechtslage weiterhin ungeklärt, weil es bisher nur eine sozialversicherungsrechtliche Klärung der Zahlungsverpflichtung gibt. Dennoch sind die Länder verständlicherweise fiskalisch nicht gewillt, auf ihnen nicht zugute kommende Leistungen Sozialversicherungsabgaben zu übernehmen.
II.   Neue Rechtslage
Die Länder haben in unterschiedlicher Weise auf die durch die Entscheidung des Bundessozialgerichts geänderte Lage reagiert. Einzelne Länder verbieten Zusatzentgelte, andere verweigern Nebentätigkeitsgenehmigungen.
Das Land Nordrhein-Westfalen hat die Kommunikation mit den Ausbildern gesucht, um zu einer Lösung zu kommen, die auch den berechtigten Interessen von Teilen der Anwaltschaft und der Wirtschaft an der Zahlung von Zusatzentgelten für Referendare Rechnung tragen soll. Die neue Regelung dürfte einen interessengerechten Ausgleich des Interesses des Landes an der Sicherheit vor späterer Inanspruchnahme auf Sozialversicherungsabgaben und den Ausbildern an der Zahlung von Zusatzentgelten geschaffen haben.
Nach der neuen Rechtslage sind die Ausbilder verpflichtet, keine direkten Zahlungen von Zusatzentgelten mehr an die Referendare vorzunehmen. Vielmehr sind die zwischen Ausbilder und Referendar vereinbarten Bruttobeträge der Zusatzentgelte an das Landesamt für Besoldung und Versorgung (LBV) zu richten. Anhand der Höhe der eingegangenen Zahlung berechnet das LBV die Sozialversicherungsabgaben, gibt gegenüber der Einzugsstelle eine Erklärung über die abzuführenden Sozialversicherungsabgaben ab und übernimmt auch die Abführung der Abgaben.
Durch Änderung des § 3 Abs.2 der Verordnung wird klargestellt, dass das Land berechtigt ist, von dem von ihm gezahlten Unterhaltsbeitrag einen Abzug in einer pauschalierten Höhe von 25 % des Zusatzentgeltes zu machen. Nur zur Kenntnis: aktuell beträgt die Summe aller Sozialabgaben 29,275 %. Das LBV zahlt dann die Summe aus dem Brutto-Zusatzentgelt und der um den aus diesem berechneten Abgabenbetrag gekürzte Unterhaltsbeihilfe an den Referendar aus.
Zugleich erstellt das LBV für den Referendar eine Entgeltabrechnung, aus der sich der von dem Ausbilder gezahlte (Brutto-) Betrag, der vom Land gezahlte Unterhaltsbeitrag, sowie der von diesem vorgenommene Abzug der pauschalierten Abgaben ersehen lassen.
Wirtschaftlich bedeutet das für den Referendar, dass er in etwa soviel erhält, als er bisher als Summe aus dem Netto-Zusatzentgelt und dem Unterhaltsbeitrag erhalten hat. Geringfügige Differenzen sind im Einzelfall möglich.
Für den Ausbilder bedeutet das eine erhebliche Entlastung. Er ist nicht nur von der Haftung für die richtige Erklärung und Abführung von Sozialabgaben auf Zusatzentgelte entlastet, sondern sein Zusatzentgelt kommt dem Referendar ungekürzt zugute. Gekürzt wird vielmehr der vom Land gezahlte Unterhaltsbeitrag. Das ist rechtlich konsequent und benachteiligt keinen der Beteiligten.
III.    Pauschalzahlung und Anrechnung
Soweit keine monatlichen Zusatzentgelte, sondern „Erfolgspauschalen“ am Ende des Ausbildungsabschnittes gezahlt werden, ändert sich an der Verfahrensweise nichts. Die Pauschale wird in voller Höhe an das LBV gezahlt. Sie wird von der Berechnung her jedoch anteilsmäßig auf den gesamten Ausbildungsabschnitt verteilt und es wird eine entsprechende Nacherklärung gegenüber der Einzugsstelle vorgenommen. Ebenso wird eine Nachberechnung der Unterhaltsbeiträge gegenüber dem Referendar vorgenommen und bezüglich der in den Vormonaten erfolgten Überzahlung aufgrund des unterbliebenen Abzugs die Aufrechnung mit einem Teil, des weiterzugebenden Pauschalbetrags vorgenommen.
Vergessen wird häufig, dass bereits jetzt und auch in Zukunft eine Anrechnung von anderen Entgelten auf den Unterhaltsbeitrag erfolgt, wenn die Zusatzeinnahmen des Referendars entsprechend hoch sind. Übersteigt das andere Entgelt die Summe aus Grundbetrag und den Familienzuschlag um mehr als das 1,5-fache, so erfolgt eine Anrechnung des übersteigenden Betrags auf den Unterhaltsbeitrag, so dass dieser ggf. bis auf 0,00 € sinken kann.
IV.     Zusammenfassung
Bei Zuweisung eines Referendars wird dem Ausbilder durch die Landesjustizverwaltung ein Merkblatt zur Verfügung gestellt werden, aus dem sich die wesentlichen Handlungspflichten im Zusammenhang mit der Gewährung von Entgelten für Tätigkeiten des Referendars ergeben.
Der Ausbilder hat zudem eine Verpflichtungserklärung abzugeben, mit der er die Übernahme dieser Pflichten versichert.
Die Leistung von Entgelten für die Tätigkeit von Referendaren ist der Landesjustizverwaltung anzuzeigen.
Die Entgelte sind nicht an den Referendar auszukehren, sondern ausschließlich an das LBV.
Merkblatt für private Ausbildungsstellen
Zusatzvergütungen privater Ausbildungsstellen, soweit sie nicht für eine von der Ausbildung unabhängige, gesonderte Beschäftigung gewährt werden, sind steuer- und sozialversicherungsrechtlicher Teil des aus dem Referendarausbildungsverhältnis resultierenden Arbeitsentgelts. In der Regel liegt den geleisteten Zusatzvergütungen kein abgrenzbares, eigenes Beschäftigungsverhältnis zugrunde. Das Land Nordrhein-Westfalen als Arbeitgeber im steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Sinne hat somit die von diesen Stellen geleisteten Zusatzvergütungen bzw. sonstigen geldwerten Zuwendungen in die Berechnung des abzuführenden Gesamtsozialversicherungsbeitrags einzubeziehen und muss die darauf entfallenden Sozialversicherungsabgaben einschließlich der u.U. notwendigen Nachversicherung zur Rentenversicherung durchführen, obwohl es weder auf ihre Gewährung noch ihre Höhe Einfluss hat. Die Rechtsanwaltskanzlei bzw. das beschäftigende Unternehmen sind weder berechtigt noch verpflichtet, die Entrichtung dieser Beträge vorzunehmen. Eine abgegebene Freistellungserklärung, mit der die Ausbildungsstelle gegenüber dem Land erklärt, Sozialversicherungsbeiträge auf zusätzliche Vergütungen abzuführen, lässt die Beitragszahlungspflicht des Landes hinsichtlich dieser zusätzlichen Vergütungen nicht entfallen.
Nordrhein-Westfalen hat sich entschlossen, privaten Ausbildungsstellen weiterhin die Möglichkeit zu geben, in Anerkennung besonderer Leistungen „in der Station“ Zusatzvergütungen zu gewähren. Die zusätzlich vom Land aufzubringenden Beiträge zur Sozialversicherung werden durch einen pauschalen Abzug von der Unterhaltsbeihilfe in Höhe von 25 Prozent der von der privaten Ausbildungsstelle erhaltenen Zusatzvergütung refinanziert. Um einer Rechtsreferendarin bzw. einem Rechtsreferendar zukünftig monatlich 450 EUR als zusätzlichen Verdienst zuzuwenden, bedarf es wegen des pauschalen Abzugs damit der Zahlung von 600 EUR. Das stellt im Vergleich zu der bisherigen Handhabung keinen ins Gewicht fallenden finanziellen Unterschied dar, da bislang der Beitrag zu den Sozialversicherungen zusätzlich zu erbringen war (also rund weitere 30% von 450 EUR).
In Fällen, in denen Zusatzvergütungen nicht als monatliche Zahlung erbracht werden, sondern als Einmalzahlung, werden diese auf die gesamte Dauer der Zuweisung umgerechnet. Somit führen Einmalzahlungen zur Kürzung der Unterhaltsbeihilfe während der gesamten Zuweisungszeit und nicht nur im Monat des Zuflusses. Hierdurch wird eine Umgehung verhindert. Zahlt beispielsweise die private Ausbildungsstelle 10.000 EUR einmalig für die gesamte Stationsdauer von 10 Monaten, so wird monatlich die zu gewährende Unterhaltsbeihilfe um 250 EUR gekürzt. (25% von 10.000 EUR geteilt durch 10 Monate).
Um die auf die Zusatzvergütung entfallenden Beträge durch das Landesamt für Besoldung und Versorgung NRW (LBV) abzuführen, sind zukünftig die Zusatzvergütungen nicht unmittelbar der Rechtsreferendarin bzw. dem Rechtsreferendar gegenüber auszukehren, sondern an das LBV auf ein speziell für die Rechtsreferendarin bzw. den Rechtsreferendar eingerichtetes Konto. Im Verwendungszweck ist neben dem Begriff „Zusatzvergütung“ anzugeben:
Zuweisungskennziffer 97, die Personalnummer des LBV (der Referendarin bzw. des Referendars), der Name der Rechtsreferendarin oder des Rechtsreferendars und der Zeitraum, für welchen dieser Betrag gezahlt wird.
Beispiel für den Verwendungszweck:
97/M63001234567 Mustermann, Manfred 01.01.2017 bis 31.01.2017
Die Bankverbindung für die Überweisung an das LBV NRW lautet:
Landesbank Hessen - Thüringen Girozentrale
IBAN: DE51 3005 0000 0004 0066 15
BIC: WELADEDDXXX
Das Land wird diesen Betrag abzüglich der im Lohnsteuerabzugsverfahren anfallenden Beträge sowie der von den Rechtsreferendarinnen und Rechtsreferendaren zu tragenden Sozialversicherungsbeiträge an diese auskehren. Für die Ausbildungsstellen hat dies den Vorteil, zukünftig nicht mehr mit der Lohnbuchhaltung für Rechtsreferendarinnen und Rechtsreferendare befasst sein zu müssen. Die als Zusatzvergütung abgeführten Beträge können als Betriebsausgaben verbucht werden. Da das Land die notwendigen Buchungen und Zahlungen erst vornehmen kann, wenn die Zusatzvergütung tatsächlich eingegangen ist, sollten die Zahlungen bis zum dritten Werktag eines Monats beim LBV eingehen, damit die Auszahlung zusammen mit der Unterhaltsbeihilfe zum Ende dieses Monats erfolgen kann.
Rechtsreferendarinnen und Rechtsreferendare haben spätestens drei Monate vor der erwarteten Zuwendung - bei späterer Kenntnis unverzüglich - über diese (beabsichtigte) Zusatzvergütung ihre dienstvorgesetzte Stelle (Präsidentin bzw. Präsident des Landgerichts) zu informieren.
Im Rahmen einer von der Zuweisung unabhängigen Nebentätigkeit erzielte Vergütungen bleiben hiervon unberührt. In diesem Fall ist Arbeitgeber im sozialversicherungsrechtlichen Sinne ausschließlich der Träger der Stelle, bei der die Nebentätigkeit ausgeübt wird.
Die erforderliche Erklärung privater Ausbilderinnen und Ausbilder zur Bereitschaft zur Zahlung einer Zusatzvergütung ausschließlich an das LBV ist durch Unterzeichnung eines Vordrucks abzugeben, der von den Stammdienststellen (Präsidentin bzw. Präsident des Landgerichts) und von der Präsidentin bzw. dem Präsidenten des Oberlandesgerichts zur Verfügung gestellt wird.
Quelle: Justizministerium NRW