Eins der umstrittensten Themen in der Diskussion um die Digitalisierung von Zivilverfahren ist der strukturierte Parteivortrag. BRAK-Schatzmeister Michael Then erläutert im Interview, welche Probleme dieser Vorschlag aus anwaltlicher Sicht mit sich bringt.
Das Parteivorbringen nach einer vorgegebenen Struktur in Verfahren einzubringen ist ein schon länger diskutierter Vorschlag im Rahmen der Digitalisierung des Zivilprozesses. Von Teilen der Justiz befürwortet, hat sich die Anwaltschaft dagegen gewandt. Im Interview erläutert BRAK-Schatzmeister Michael Then, weshalb ein nach strengen Vorgaben strukturierter Vortrag nicht nur für das Recht auf rechtliches Gehör problematisch ist und weshalb Anwältinnen und Anwälte ihre Schriftsätze eigenverantwortlich strukturieren können müssen. Then geht aber auch darauf ein, in welchen Arten von Verfahren aus seiner Sicht Digitalisierung und eine gewisse Form der Strukturierung vorteilhaft sein könnten – und unter welchen Voraussetzungen dies für die Anwaltschaft tragbar wäre.
Gegen die Einführung von strukturiertem Parteivortrag hat die BRAK sich unter anderem auch in ihrem Positionspapier „Digitales Rechtssystem – Forderungen und Vorschläge der Anwaltschaft“ gewandt.
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Vor dem Hintergrund gehäufter Angriffe auf Anwältinnen und Anwälte plant der Europarat eine Konvention über den Beruf des Rechtsanwalts. Die BRAK hat zu dem Konventionsentwurf Stellung genommen und spricht sich vor allem für eine klare Definition des Berufs aus.
Um die freie Ausübung des Anwaltsberufs besser zu schützen, arbeitet der Europarat an einer bindenden Europäischen Konvention über den Beruf des Rechtsanwaltes. Sie fußt auf der Empfehlung des Europarats zur freien Ausübung des Anwaltsberufs (R (2000) 21) aus dem Jahr 2000. Darin sind Mindeststandards formuliert, die Anwältinnen und Anwälten unter anderem eine freie, unabhängige Berufsausübung, Zugang zu ihrer Mandantschaft und die Wahrung des Berufsgeheimnisses garantieren sollen. Die parlamentarische Versammlung des Europarates hatte im Januar 2018 eine Empfehlung angenommen, in der sie den Europarat zur Schaffung einer bindenden Konvention auffordert. Das hält sie für notwendig, weil Anwältinnen und Anwälte nach wie vor bedroht und angegriffen werden und weil dies in manchen Staaten sogar systematisch geschieht; daher seien verbindliche Standards und ein Kontrollmechanismus nötig.
In ihrer Stellungnahme zu dem Konventionsentwurf spricht die BRAK sich für eine klare Definition des Anwaltsberufs aus, welche sich an der Emfpehlung R (2000)21 des Ministerkomitees über die freie Ausübung des Rechtsanwaltsberufs orientiert. Durch die Konvention sollen Personen geschützt werden, die gerade aufgrund ihres Status als berufener Berater und Vertreter in allen gerichtlichen und außergerichtlichen rechtlichen Angelegenheiten für die Einhaltung anwaltlicher „core values“ – Unabhängigkeit, Verschwiegenheit und ihrem Verbot der Wahrnehmung widerstreitender Interessen – sowie ferner für Integrität und Zuverlässigkeit bürgen und deshalb zur Wahrung des ihnen entgegengebrachten Vertrauens ihrer Mandanten eines besonderen Schutzes vor staatlicher Kontrolle und Bevormundung bedürfen.
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Verfahren über wichtige Infrastrukturvorhaben sind oft besonders komplex und langwierig. Mit einem Mitte August vorgelegten Gesetzentwurf soll die Dauer solcher Verfahren reduziert werden.
Verwaltungsgerichtliche Verfahren, die wichtige Infrastrukturvorhaben betreffen, sind häufig besonders komplex und langwierig. Eine Beschleunigung solcher Verfahren ist aus Sicht des Bundesministeriums der Justiz gerade angesichts der angestrebten Energiewende dringlich, aber auch mit Blick auf Ausbau und Erneuerung der Verkehrsinfrastruktur.
Der Mitte August vom Ministerium vorgelegte Entwurf für ein Gesetz zur Beschleunigung von verwaltungsgerichtlichen Verfahren im Infrastrukturbereich sieht deshalb ein generelles Vorrang- und Beschleunigungsgebot für besonders bedeutsame Infrastrukturvorhaben vor. Außerdem soll künftig ein Erörterungstermin („früher erster Termin“) zwei Monate nach Eingang der Klageerwiderung stattfinden. Zudem soll die innerprozessuale Präklusion verschärft werden.
Die Regelungen für den einstweiligen Rechtsschutz sollen für besonders bedeutsame Infrastrukturvorhaben ebenfalls modifiziert werden. Mängel des angefochtenen Verwaltungsakts soll das Gericht außer Acht lassen können, wenn offensichtlich ist, dass diese in absehbarer Zeit behoben sein werden. Im Rahmen der Vollzugsfolgenabwägung sollen die Gerichte zudem die Reversibilität von Maßnahmen berücksichtigen; außerdem sollen künftig sie besonders berücksichtigen müssen, wenn der Bundesgesetzgeber ein überragendes öffentliches Interesse festgestellt hat.
Vorgesehen sind zudem weitere Änderungen prozessualer Vorschriften, unter anderem zur Einrichtung spezieller Planungsspruchkörper an den Verwaltungsgerichten.
Der Gesetzentwurf dient der Umsetzung einer Vereinbarung im Koalitionsvertrag der Regierungsfraktionen, nach der verwaltungsgerichtliche Verfahren beschleunigt werden sollen durch einen „frühen ersten Termin“ sowie durch ein effizienteres einstweiliges Rechtsschutzverfahren. Er wird nun zunächst innerhalb der Bundesregierung abgestimmt.
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Die BRAK unterstützt ein Beschwerdeverfahren vor dem EGMR in einem Fall, in dem die Beschuldigten ohne Haftbefehl festgenommen und ohne Belehrung über ihr Recht auf einen Rechtsbeistand vernommen wurde.
Die BRAK hat in einem Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) Antrag auf Zulassung als Drittbeteiligte gestellt. Sie möchte damit die Beschwerde einer wegen Raubes mit Todesfolge inhaftierten Frau unterstützen. Sie und ihre Komplizen waren von der Polizei festgenommen und verhört worden, ohne dass ein Haftbefehl vorlag und ohne dass sie während der Vernehmung einen Rechtsbeistand hatten. Die Verurteilung stützte sich weitgehend auf die Aussagen in dieser Vernehmung. die dagegen gerichteten Rechtsmittel blieben erfolglos.
Mit ihrer Beschwerde beim EGMR rügt Beschwerdeführerin, dass ihre Festnahme ohne Haftbefehl rechtswidrig gewesen sei, dass sie während der polizeilichen Vernehmung keinen Rechtsbeistand hatte und dass dieser Umstand und die rechtswidrige Festnahme ihr Recht, zu schweigen und sich nicht selbst zu belasten, verletzt habe.
Die BRAK ist der Auffassung, dass die Beschwerde nicht nur fundamentale Verteidigungsrechte der in diesem Fall Verurteilten berührt, sondern auch über diesen Einzelfall hinaus von Bedeutung ist. Insbesondere sieht sie eine Bedrohung des Schutzes vor willkürlicher Freiheitsentziehung (Art. 5 Abs. 1 EMRK); zudem sieht sie die Garantie eines fairen Verfahrens (Art. 6 Abs. 1 EMRK) bedroht, wenn Beschuldigte bei der oftmals verfahrensentscheidenden ersten Vernehmung keinen Rechtsbeistand haben und über dieses Recht nicht einmal belehrt werden.
Daher hat sie beantragt, dem Verfahren als Drittbeteiligte beitreten zu dürfen. Drittbeteiligte haben nach Art. 44 III der Verfahrensregeln des EGMR die Möglichkeit, rechtliche Stellungnahmen in dem Verfahren abzugeben. Die BRAK war bzw. ist Drittbeteiligte in mehreren Verfahren vor dem EGMR, die grundlegende Rechte von Anwältinnen und Anwälten und insbesondere die Wahrung des Anwatlsgeheimnisses oder grundlegende Rechte von Beschuldigten in Strafverfahren betreffen.
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Eine selbstständige Rechtsanwältin, die befristet als wissenschaftliche Mitarbeiterin an einer Universität arbeitet, kann für diese Tätigkeit nicht von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht befreit werden. Dies entschied das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen in einem jüngst veröffentlichten Urteil.
Anlass für die Entscheidung gab eine zu Beginn des Berufslebens nicht seltene Konstellation: Neben der anwaltlichen Tätigkeit arbeitet die Anwältin oder der Anwalt, mit zeitlich befristetem Vertrag, als wissenschaftliche Mitarbeiterin bzw. wissenschaftlicher Mitarbeiter an einer Universität, meist mit dem Ziel zu promovieren. In der konkreten Ausgestaltung fiel die betroffene Rechtsanwältin im Ergebnis zwischen allen Befreiungsmöglichkeiten durch.
Sie war seit 2003 zur Rechtsanwaltschaft zugelassen und war bereits mehrfach, zuletzt im Jahr 2012, wegen ihrer wissenschaftlichen Mitarbeit bzw. ihrer Anstellung als Doktorandin an einem universitären Institut – noch unter der früheren Rechtslage – von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht befreit gewesen. Zum 1.4.2016 beantragte sie erneut die Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht für eine zeitlich befristete Tätigkeit als wissenschaftliche Mitarbeiterin an einer Universität. Ihren Antrag stützte die Klägerin darauf, dass entweder ihre Forschungs- und Lehrtätigkeit als anwaltlich zu werten sei oder ihre Befreiung für die anwaltliche Tätigkeit auf die Tätigkeit an der Universität zu erstrecken sei; hilfsweise beantragte sie die Befreiung von der Versicherungspflicht als Syndikusrechtsanwältin, eine solche Zulassung hatte sie bei der Rechtsanwaltskammer beantragt.
Der Befreiungsantrag hatte keinen Erfolg. Den dagegen gerichteten Widerspruch wies der Rentenversicherungsträger zurück. Dagegen wandte sich die Klägerin mit ihrer Klage, die das SG Köln abwies. Ihre Berufung hatte beim LSG Nordrhein-Westfalen ebenfalls keinen Erfolg.
Das LSG hielt fest, dass die Klägerin unter keinem Gesichtspunkt Anspruch auf Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht für ihre Tätigkeit als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität habe. Die Tätigkeit sei nicht anwaltlich. Eine Befreiung als Syndikusrechtsanwältin scheitere bereits daran, dass die Klägerin nicht als solche zugelassen sei.
Eine Erstreckung einer Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht auf die Tätigkeit als wissenschaftliche Mitarbeiterin sei nicht möglich. Denn eine Erstreckung setze das Vorliegen einer Befreiung voraus, die nur bei dem Grunde nach versicherungspflichtigen Personen, etwa bei angestellten Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten, möglich sei. Als selbstständige Rechtsanwältin sei die Klägerin aber dem Grunde nach nicht in der gesetzlichen Rentenversicherung versicherungspflichtig.
Die zunächst eingelegte Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision, beim BSG anhängig unter dem Az. B 12 R 9/22 B, hat die Klägerin zwischenzeitlich zurückgenommen.
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Am 29.09.2022 findet der Europäische Tag der Justiz statt.
Nähere Informationen entnehmen Sie dem Flyer.
Eine Anmeldung ist bis zum 16.09.2022 möglich.
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