Zum 1.8.2022 sind die Regelungen des Gesetzes zur Neuregelung des Berufsrechts der anwaltlichen und steuerberatenden Berufsausübungsgesellschaften in Kraft getreten. Das auch als „große BRAK-Reform“ bezeichnete Gesetz bringt weitreichende Änderungen für Anwältinnen und Anwälte.
Umfassend neu geregelt und vereinheitlicht wurde das Recht der Berufsausübungsgesellschaften sowohl in der BRAO als auch in der PAO und im StBerG. Die Berufsausübungsgesellschaft ist nunmehr selbst Trägerin berufsrechtlicher Rechte und Pflichten und bedarf der Zulassung durch die örtlich zuständige Rechtsanwaltskammer. Hierfür läuft eine Übergangsfrist bis zum 1.11.2022. Nicht haftungsbeschränkte Gesellschaften, in denen nur Anwältinnen und Anwälte bzw. sozietätsfähige Berufs zusammengeschlossen sind, brauchen keine Zulassung, können sie aber fakultativ beantragen.
Zusammenschlüsse sind ab jetzt in sämtlichen Rechtsformen des deutschen Rechts zulässig; auch mehrstöckige Gesellschaften werden möglich. Außerdem können Anwältinnen und Anwälte sich ab jetzt mit Angehörigen aller freien Berufe (mit Ausnahme von Maklerinnen und Maklern) beruflich zusammenschließen. Weiterhin nicht zulässig ist eine reine Kapitalbeteiligung an Anwaltsgesellschaften.
Neu geregelt wurde unter anderem auch die Versicherungspflicht für Berufsausübungsgesellschaften.
Zudem wurde das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) auch für Berufsausübungsgesellschaften vorgesehen. Für bereits zugelassene Berufsausübungsgesellschaften legt die BRAK ab dem 1.9.2022 Postfächer an, damit diese Zeit zur Bestellung ihrer beA-Karten haben. Ab dann ist auch die Erstregistrierung für sie möglich. Zur Beantragung und Erstregistrierung des Gesellschafts-beA hat die BRAK umfangreiche Informationen publiziert.
Seit dem 1.8.2022 muss, wer zur Rechtsanwaltschaft zugelassen werden will, außerdem Kenntnisse im anwaltlichen Berufsrecht nachweisen. Die neue Pflicht gilt für alle, die ab diesem Stichtag zur Rechtsanwaltschaft zugelassen werden. Sie müssen innerhalb eines Jahres ab Zulassung an einer Fortbildung im Umfang von mindestens zehn Zeitstunden teilnehmen; dabei zählen auch bis zu sieben Jahre vor der Zulassung absolvierte Veranstaltungen.
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Überblick zur großen BRAO-Reform:
Berufsausübungsgesellschaften:
beA für Berufsausübungsgesellschaften:
Fortbildung im Berufsrecht:
Das Bundesministerium der Justiz hat Ende Juli den Regierungsentwurf für das geplante „Gesetz zur Stärkung der Aufsicht bei Rechtsdienstleistungen und zur Änderung weiterer Vorschriften des Rechts der rechtsberatenden Berufe“ vorgelegt. Im Kern regelt das Gesetz, dass Rechtsdienstleister, die sich nach § 10 RDG registrieren müssen, künftig der zentralen Aufsicht durch das Bundesamt für Justiz unterstellt werden. Dazu zählen etwa Inkassodienstleister und Rentenberaterinnen und -berater; von der Registrierung als Inkassodienstleister machen häufig auch Legal Tech-Anbieter Gebrauch. Neben der zentralen Aufsicht schafft das Gesetz auch einen umfassenden Sanktionsrahmen für geschäftsmäßige unbefugte Rechtsdienstleistungen.
Gegenüber dem Referentenentwurf des Gesetzes, zu dem die BRAK Stellung genommen hatte, enthält der Regierungsentwurf keine inhaltlichen Änderungen des RDG. In der Gesetzesbegründung wurde jedoch eine Klarstellung zur zukünftigen Gestaltung der Bußgeldbewehrung ergänzt. Danach sollen u.a. studentische Law Clinics nicht mit Bußgeldern belegt werden, wenn die fachliche Anleitung nicht den gesetzlichen Vorgaben entspricht; vielmehr solle dann, wie schon bisher, geprüft werden, ob begründete Tatsachen die Annahme dauerhaft unqualifizierter Rechtsdienstleistungen zum Nachteil der Rechtsuchenden oder des Rechtsverkehrs rechtfertigen und ob deshalb die weitere Erbringung von Rechtsdienstleistungen zu untersagen ist.
Klargestellt wird außerdem, dass die Befugnis der Rechtsanwaltskammern, gegen unbefugt Rechtsdienstleistende nach dem UWG und dem UKlaG vorzugehen, von der neuen Bußgeldbewehrung unberührt bleibt.
Der Regierungsentwurf bringt ferner – neben einer klarstellenden Regelung für Patentanwaltsgesellschaften in § 59c I 1 BRAO-E – eine praktisch wichtige Änderung im Bereich der Vermögenschadenhaftpflichtversicherung für Berufsausübungsgesellschaften. In § 59o IV BRAO wird nunmehr klargestellt, dass für die Berechnung der zulässigen Jahreshöchstleistung der Versicherung einer Berufsausübungsgesellschaft lediglich die anwaltlichen Gesellschafter relevant sind. Damit kommt der Gesetzgeber einer Anregung der BRAK nach. Diese hatte darauf hingewiesen, dass in der Praxis Unsicherheiten bestehen, ob der Begriff „Gesellschafter“ nur die anwaltlichen Gesellschafter erfasst oder die Gesellschafter aller Berufsgruppen. Die Beschränkung auf anwaltliche Gesellschafter entspricht dem Verständnis des insoweit gleichlautenden, aktuell noch geltenden § 59j II 2 BRAO.
Eine Klarstellung wird auch in § 207a II BRAO für die Versicherung ausländischer Anwaltsgesellschaften eingefügt. Danach kommt es für die Berechnung der Jahreshöchstleistung auf die Mitglieder der Geschäftsleitung der deutschen Zweigniederlassung an und nicht auf die weltweite Zahl der Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer.
Die BRAK wird auch das weitere Gesetzgebungsverfahren kritisch begleiten.
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Mit dem Ende Juli vorgelegten Entwurf für ein „Gesetz zur Überarbeitung des Sanktionenrechts – Ersatzfreiheitsstrafe, Strafzumessung, Auflagen und Weisungen sowie Unterbringung in einer Entziehungsanstalt“ beabsichtigt das Bundesministerium der Justiz eine Reihe von Änderungen hinsichtlich der in Strafverfahren zu verhängenden Sanktionen. Damit wird eines der Projekte angegangen, das sich die Regierungsparteien im Koalitionsvertrag vorgenommen hatten.
Der Entwurf sieht unter anderem vor, Ersatzfreiheitsstrafen zu halbieren. Künftig sollen danach zwei Tagessätze einer Geldstrafe einem Tag Ersatzfreiheitsstrafe entsprechen; bislang entsprach ein Tagessatz einem Tag Ersatzfreiheitsstrafe. Ziel ist es, die Dauer von Ersatzfreiheitsstrafen zu halbieren, da diese meist bei Bagatelldelikten verhängt werden und ihr Vollzug in der Regel keinen Beitrag zur Resozialisierung der Täter leiste.
Zudem sollen bei der Strafzumessung künftig auch menschenverachtende Beweggründe und Ziele berücksichtigt werden. Bislang werden hierbei insbesondere rassistische, fremdenfeindliche und antisemitische Beweggründe und Ziele berücksichtigt; künftig sollen ausdrücklich auch geschlechtsspezifische und gegen die sexuelle Orientierung gerichtete Umstände einbezogen werden. Die Regelung ist eine Reaktion auf sog. Hassdelikte gegen Frauen und gegen lesbische, schwule, bisexuelle, trans- oder intersexuelle Menschen.
Bei der Strafaussetzung zur Bewährung, der Verwarnung mit Strafvorbehalt und der Einstellung des Verfahrens unter Auflagen und Weisungen soll die Möglichkeit einer Therapieweisung ausdrücklich normiert werden. Bei der Verwarnung mit Strafvorbehalt soll zusätzlich die Anordnung von „sonst gemeinnützigen Leistungen“, insbesondere also einer Arbeitsauflage, ermöglicht werden.
Überarbeitet werden außerdem die Voraussetzungen für die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt. Ziel dieser Reform des Maßregelrechts ist es, die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt wieder stärker auf die Personen zu konzentrieren, die aufgrund ihres übermäßigen Rauschmittelkonsums tatsächlich der Behandlung in einer solchen Einrichtung bedürften.
Die BRAK wird das weitere Gesetzgebungsverfahren kritisch begleiten.
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Die elektronische Wahl zur Satzungsversammlung im Bezirk der Rechtsanwaltskammer München war weder als solche verfassungswidrig noch verstößt die konkrete Ausgestaltung der Wahl im Jahr 2019 gegen verfassungsmäßige Wahlrechtsgrundsätze. Der BGH erteilte in einer jüngst veröffentlichten Entscheidung der Klage eines Münchener Anwalts eine Absage.
Die Satzungsversammlung ist ein unabhängiges Organ, das über die Berufsordnung und die Fachanwaltsordnung beschließt. Die Satzungsversammlung besteht aus den direkt gewählten Mitgliedern der Rechtsanwaltskammern, den Präsidentinnen und Präsidenten der Rechtsanwaltskammern und den Mitgliedern des Präsidiums der BRAK. Stimmberechtigt sind nur die direkt gewählten Delegierten der Kammern.
Die Rechtsanwaltskammer München hatte, wie auch andere Kammern, im Jahr 2019 erstmals die Wahlen zur Satzungsversammlung elektronisch durchgeführt. Der Kläger, der Mitglied der Rechtsanwaltskammer München ist, hat beim Bayerischen AGH die Wahl zur 7. Satzungsversammlung im Jahr angefochten. Er hält die Wahl wegen des eingesetzten elektronischen Wahlsystems für verfassungswidrig; sowohl eine elektronische Wahl an sich als auch die konkrete Ausgestaltung verstoßen seiner Meinung nach gegen die Wahlrechtsgrundsätze.
Die Klage hatte beim AGH keinen Erfolg. Den dagegen gerichteten Antrag auf Zulassung der Berufung lehnte der Anwaltssenat des BGH ab. Die Entscheidung, ob die Wahl als Briefwahl oder elektronisch durchgeführt werden solle, habe der Gesetzgeber, ebenso wie die Ausgestaltung der Wahl im Einzelnen, den regionalen Rechtsanwaltskammern und ihren Wahlordnungen überlassen. § 191b II 2 BRAO, der ausdrücklich auch elektronische Wahlen ermöglicht, verstößt nach Ansicht des BGH weder gegen das Demokratiegebot noch gegen die allgemeinen Wahlgrundsätze des Art. 38 I GG. Auch die vom Kläger angeführte geringe Wahlbeteiligung gibt nach Ansicht des BGH keinen Anlass zu einer andere Beurteilung.
Der Kläger hatte zudem Einzelheiten des eingesetzten Wahlsystems gerügt, unter anderem, dass es keine Möglichkeit vorsehe, sich der Wahl zu enthalten oder eine ungültige Stimme abzugeben. Eine derartige Möglichkeit hält der BGH indes nicht für nötig. Auch eine Härtefallregelung für Wahlberechtigte, die keinen PC besitzen, sei nicht erforderlich. Zweifel äußert der BGH jedoch daran, wie die erforderliche Trennung von elektronischem Wählerverzeichnis und elektronischer Wahlurne umgesetzt wurde.
Im Ergebnis ist die Wahl aus Sicht des BGH dennoch rechtmäßig. Er stellt dabei auf die sog. Mandatsrelevanz ab. Selbst wenn Wahlfehler vorliegen sollten, müssten sie sich auf das Wahlergebnis ausgewirkt haben oder sich zumindest theoretisch darauf ausgewirkt haben können. Das ist nach Ansicht des BGH aber nicht der Fall. Er bewertet den Fortbestand der gewählten Satzungsversammlung höher.
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Seit 1.8.2022 regelt die Brüssel IIb-Verordnung die internationale Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in internationalen Familiensachen, insbesondere auch bei internationalen Kindesentführungen. Was die neuen Regelungen für die Praxis bringen, erklärt die Vorsitzende des BRAK-Ausschusses Familien- und Erbrecht, Dr. Kerstin Niethammer-Jürgens, im aktuellen Libra Rechtsbriefing.
Die Verordnung (EU) 2019/1111, kurz: Brüssel IIb-Verordnung, hat zum 1.8.2022 die bisherigen Regelungen der Brüssel IIa-Verordnung (VO (EG) 2201/2003) abgelöst. Sie enthält Regelungen über die internationale Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Verfahren bezüglich Ehescheidung, Sorge- und Umgangsrecht sowie bei Kindesentführungen mit internationalem Bezug. Die Verordnung ergänzt in der EU – mit Ausnahme Dänemarks – das Haager Übereinkommens über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung.
Dr. Kerstin Niethammer-Jürgens, Vorsitzende des BRAK-Ausschusses Familien- und Erbrecht, bewertet die neue Verordnung in der aktuellen Ausgabe des Libra Rechtsbriefing als sehr kompliziert geschrieben und für Praktiker an einigen Stellen nicht klar genug formuliert. Auch der Umfang habe sich gegenüber der Brüssel IIa-Verordnung mehr als verdoppelt. Die Brüssel IIb-Verordnung werde massive Auswirkungen auf die Praxis haben. Als problematisch sieht Niethammer-Jürgens insbesondere an, dass die alte und die neue Verordnung nebeneinander her liefen, für Altverfahren gelte Brüssel IIa, für neue Verfahren Brüssel IIb.
Mit den Inhalten und Auswirkungen der Brüssel IIb-Verordnung befasste sich auch eine von der BRAK im Mai durchgeführte Veranstaltung eingehend.
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Der Soldan Moot zur anwaltlichen Berufspraxis feiert sein 10. Jubiläum. Bei dem Wettbewerb treten Studierende in einem fiktiven Zivilprozess gegeneinander an. Anwältinnen und Anwälte können den Wettbewerb unterstützen, indem sie Schriftsätze bewerten.
Der Hans Soldan Moot zur anwaltlichen Berufspraxis findet in diesem Jahr zum zehnten Mal statt. Auch bei der Jubiläums-Ausgabe wird in dem Wettbewerb für Jura-Studierende anhand eines fiktiven Falls, der zivil- und berufsrechtliche Probleme enthält, ein Gerichtsverfahren simuliert, um den Studierenden frühzeitig einen Einblick in die anwaltliche Tätigkeit zu ermöglichen. Jeweils zwei Teams verschiedener juristischer Fakultäten aus ganz Deutschland agieren als Kläger- oder Beklagtenvertreter; sie verfassen dazu Schriftsätze und treten in mündlichen Verhandlungen auf. So bietet der Soldan Moot eine einzigartige Möglichkeit, Nachwuchstalente zu unterstützen und zu fördern.
33 Teams von 20 deutschen Universitäten nehmen in diesem Jahr am Soldan Moot teil – ein neuer Rekord an Teilnehmenden. Der Fall wurde am 30.6.2022 an die Studierenden ausgegeben. Bis Ende August fertigen sie die Klageschriftsätze, bis Ende September die Klageerwiderungen. Diese werden anschließend nach der Punkteskala des DRiG hinsichtlich Schlüssigkeit, Überzeugungskraft und Stil bewertet. Die Bewertungen müssen bis Ende September abgegeben werden; dafür gibt es eine umfangreiche Einführung und Materialien zur Schriftsatzkorrektur.
Zur Unterstützung bei der Bewertung der Schriftsätze werden noch Anwältinnen und Anwälte gesucht.
Den Auftakt zum Soldan Moot bildet am 5.10.2022 die Hannoversche Anwaltskonferenz mit zahlreichen Fachvorträgen zum Berufsrecht. Die mündlichen Verhandlungen sind für den 6.–8.10.2022 geplant. Dabei leitet jeweils eine Richterin bzw. ein Richter die Verhandlung, jeweils zwei Juroren/Jurorinnen bewerten anschließend die Leistung der Studierenden hinsichtlich rechtlicher Überzeugungskraft, Stil, Sprache und Schlüssigkeit.
Begleitend findet auch in diesem Jahr eine Kanzleibörse statt. Kanzleien erhalten dabei die Möglichkeit, Teams aus der eigenen Region beim Soldan Moot zu unterstützen und dabei Kontakte zu den Studierenden zu knüpfen, die so ihrerseits die Kanzleien kennenlernen können. Zudem gibt es einen Networking-Abend.
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Hintergrund:
Der Soldan Moot wurde vom Institut für Prozess- und Anwaltsrecht der Leibniz Universität Hannover und der Soldan Stiftung zusammen mit dem Deutschen Juristen-Fakultätentag, dem Deutschen Anwaltverein und der Bundesrechtsanwaltskammer ins Leben gerufen. Regelmäßig nehmen rund 30 Teams aus verschiedenen deutschen Universitäten an dem Wettbewerb teil.
Die aktuelle Ausgabe der Rechtsprechungsübersicht des OLG Hamm finden Sie hier.
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