BRAO § 14 Abs. 2 Nr. 8

Unzureichende Freistellungserklärung des Arbeitgebers eines Syndikusanwalts

AnwGH Rheinland-Pfalz, Beschl. vom 30.05.2008 – 1 AGH 10/07 = BeckRS 2008, 20424
Fundstelle: NJW-Spezial 2008, S. 638

 

Es reicht nicht aus, wenn der Arbeitgeber eines Syndikusanwalts diesem lediglich erlaubt, seinen Arbeitsplatz zur Wahrnehmung anwaltlicher Termine zu verlassen, wenn dies seine Tätigkeit als Rechtsanwalt „im Einzelfall zwingend erforderlich macht“.

Leitsatz des Gerichts

 

Anmerkung:

In dem zugrunde liegenden Fall hatte die Rechtsanwaltskammer nachträglich davon Kenntnis erlangt, dass ein zugelassener Anwalt bei einem nichtanwaltlichen Arbeitgeber in einem ständigen Beschäftigungsverhältnis angestellt war. Die daraufhin von dem Rechtsanwalt angeforderte Freistellungserklärung seines Arbeitgebers enthielt die Einschränkung dahingehend, dass der Anwalt berechtigt sei „seine Arbeitstätte zur Wahrnehmung anwaltlicher Termine zu verlassen, wenn dies seine Tätigkeit als Rechtsanwalt im Einzelfall zwingend erforderlich mache“. Der daraufhin erfolgte Widerruf der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft gem. § 14 Abs. 2 Nr. 8 BRAO wurde durch den noch nicht rechtskräftigen Beschluss des Anwaltsgerichtshofs Rheinland-Pfalz bestätigt. Denn nach ständiger Rechtsprechung des BGH muss ein Anwalt seinen Anwaltsberuf in einem, wenn auch beschränkten oder doch irgendwie nennenswerten Umfang und jedenfalls mehr als bloß gelegentlich ausüben können.

In der Einschränkung, seine Arbeitsstätte verlassen zu dürfen, wenn dies „im Einzelfall“ erforderlich sei, sah der Anwaltsgerichtshof eine Beschränkung begründet, die es dem Anwalt nicht ermögliche, im Rahmen des erforderlichen Freiraums seine Anwaltstätigkeit tatsächlich unabhängig zu gestalten.
 

Hinweis:

Wenn ein Rechtsanwalt ein Beschäftigungsverhältnis eingeht oder eine wesentliche Änderung des bestehenden Beschäftigungsverhältnisses eintritt, hat er dies gem. § 56 Abs. 2 Nr. 1 BRAO der Rechtsanwaltskammer unverzüglich anzuzeigen.

GG Art. 13, 12

Durchsuchung einer Rechtsanwaltskanzlei

BVerfG (3. Kammer des Zweiten Senats), Beschl. v. 06.05.2008 – 2 BvR 384/07 Fundstelle: NJW 2008, S. 1937 f.

1.      Der Schutz der Vertrauensbeziehung zwischen Anwalt und Mandant liegt auch im Interesse der Allgemeinheit an einer wirksamen und geordneten Rechtspflege. Diese Belange verlangen besondere Beachtung bei der Prüfung der Angemessenheit einer strafprozessualen Zwangsmaßnahme (hier: Durchsuchung einer Anwaltskanzlei).1

2.      Zur Begründung der Angemessenheit einer Durchsuchung genügen formelhafte Wendungen nicht. Der Richter darf sich nicht nur mit der Schwere des Tatverdachts, er muss sich auch mit der Schwere der Straftat und der zu erwartenden Strafe auseinandersetzen. Dabei reicht der Hinweis auf den Strafrahmen (hier: falsche Verdächtigung) nicht aus, um die Schwere der verfolgten Straftat zu begründen. Der Ermittlungsrichter muss vielmehr prüfen, ob nach dem Stand der Ermittlungen im konkreten Fall die Verurteilung zu einer mehr als geringfügigen Sanktion in Betracht kommt.1

 

Leitsatz der Redaktion der NJW

 

GG Art. 12 I, 13 I, II; StPO § 97; StGB § 185

Durchsuchung der Kanzleiräume und der Wohnung eines Rechtsanwalts

BVerfG, Beschl. v. 05.05.2008 - 2 BvR 180/06
Fundstelle: NJW 2008, S. 2422 ff.

Die Durchsuchung auch beruflich genutzter Räume greift in schwerwiegender Weise in das Grundrecht aus Art. 13 GG ein. Auch wenn eine solche Durchsuchung nicht unmittelbar den Schutzbereich der Berufsfreiheit nach Art. 12 I GG berührt, haben die Strafverfolgungsbehörden das Ausmaß der – mittelbaren – Beeinträchtigung der beruflichen Tätigkeit des Betroffenen zu berücksichtigten. Die herausgehobene Bedeutung der Berufsausübung eines Rechtsanwalts für die Rechtspflege und für die Wahrung der Rechte seiner Mandanten gebietet die besonders sorgfältige Beachtung der Eingriffsvoraussetzungen und des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit, auch wenn bei Beschlagnahme und die auf sie gerichtete Durchsuchung bei einem als Strafverteidiger tätigen Rechtsanwalt durch § 97 StPO nicht generell ausgeschlossen ist, wenn dieser selbst Beschuldigter in einem gegen ihn gerichteten Strafverfahren ist.

Leitsatz der Redaktion der NJW

 

 

BORA § 3 Abs. 2

Vertretung widerstreitender Interessen – Anwälte in Bürogemeinschaft

OLG Bremen, Beschl. v. 24.04.2008 – 4 WF 38/08
Fundstelle: NJW-Spezial 2008, S. 478 f.

Die Beiordnung des von einem Mandanten gewählten Anwalts ist ausgeschlossen, wenn dieser einem Tätigkeitsverbot unterliegt. Dies ist auch dann der Fall, wenn der Anwalt mit dem Vertreter der Gegenseite in Bürogemeinschaft verbunden ist.²

Leitsatz des Gerichts

 

 

GG Art. 5 I, 12 I; BRAO § 43 a III; StGB §§ 186, 193

Wahrnehmung berechtigter Interessen durch Rechtsanwalt

BVerfG (2. Kammer des Ersten Senats), Beschl. v. 15.04.2008 - 1 BvR 1793/071.     Ein Verhalten, das einen Beleidigungstatbestand erfüllt, kann nur dann als Verletzung beruflicher Pflichten beanstandet werden, wenn es nicht in Wahrnehmung berechtigter Interessen erfolgt ist. Im Rahmen der Prüfung der Wahrnehmung berechtigter Interessen ist eine fallbezogene Abwägung zwischen den Grundrechten der Berufsfreiheit - gegebenenfalls unter Einbeziehung auch der Meinungsfreiheit - und den Rechtsgütern, deren Schutz die einschränkende Norm bezweckt, verfassungsrechtlich geboten.

2.     Mit Blick auf die Berufsfreiheit können herabsetzende Äußerungen, die ein Rechtsanwalt im Zusammenhang mit seiner Berufsausübung und der dabei zulässigen Kritik abgibt, nur dann Anlass für berufsrechtliche Maßnahmen sein, wenn besondere Umstände hinzutreten.Leitsatz desr Redation der NJW

BRAO §§ 116 S. 2, StPO § 304 Abs. 3 S. 2

Keine sofortige Beschwerde gegen Kostenentscheidung des Anwaltsgerichtshofs

BGH, Beschl. v. 31.03.2008, AnwSt (B) 15/07
Fundstelle: RVGreport 2008, S. 280

BRAO §§ 164–170, GG Art. 12

Verfassungsmäßigkeit des Auswahlverfahrens für die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft beim BGH

BVerfG (2. Kammer des Ersten Senats), Beschl. v. 27.02.2008 –
1 BvR 1295/07
Fundstelle: NJW 2008, S. 1293 ff.

1.
Das wesenstypische Element der freien Rechtsanwaltschaft liegt in der staatlicher Einflussnahme entzogenen, unabhängigen Wahrnehmung der Interessen des Rechtsuchenden. In diesem maßgeblichen Merkmal unterscheidet sich die Tätigkeit der bei dem BGH zugelassenen Rechtsanwälte nicht von der aller Rechtsanwälte.

2.
Mit der Begrenzung der bei dem BGH zugelassenen Rechtsanwälte gem. § 168 II BRAO verfolgt der Gesetzgeber ein gewichtiges Gemeinwohlziel, das die Beschränkung der Berufsausübung legitimieren kann (vgl. BVerfGE 117, 163 [182] = NJW 2007, 979).

3.
Zur Förderung und Verbesserung der höchstrichterlichen Rechtsprechung in Zivilsachen sind das Auswahlverfahren und insbesondere die Zulassungsbegrenzung nach § 168 II BRAO verhältnismäßig, also geeignet, erforderlich und zumutbar.

Leitsatz der Redaktion der NJW

 

 

 

FAO §§ 5 S. 1 lit b, 6, 7

Voraussetzungen für die Anordnung eines Fachgesprächs

BGH, Beschl. v. 25.02.2008 – AnwZ (B) 14/07
Fundstelle: NJW-Spezial 2008, S. 318

 

Genügen die praktischen Nachweise eines Fachanwaltsanwärters nicht den Anforderungen des § 5 FAO können die Themen eines Fachgesprächs aus dem gesamten nicht zur Fallbearbeitungen abgedeckten für die jeweilige Fachanwaltsbezeichnung vorgesehenen Stoff gewählt werden. Für die durch Fallbearbeitung abgedeckten Bereiche gilt dies nur, wenn sich Zweifel ergeben.²

Leitsatz des Gerichts

 

Rechtsanwalt Benedikt Trockel

FAO §§ 5 S. 1 lit. c, 10 Nr. 1

Berücksichtigungsfähigkeit von Fällen des Arbeitsförderungs- und Sozialrechts im Fachgebiet Arbeitsrecht

BGH, Beschl. v. 25.02.2008 – AnwZ (B) 17/07
Fundstelle: NJW-Spezial 2008, S. 318 f.

Als Fallbearbeitung auf dem Fachgebiet des Arbeitsrecht i. S. der §§ 5 S. 1 lit. c, 10 Nr. 1 FAO kann eine solche im Arbeitsförderungs- oder Sozialversicherungsrecht nur dann angesehen werden, wenn sei einen inhaltlichen Bezug zum Arbeitsrecht hat.²

Leitsatz des Gerichts  

 

 

RVG §§ 14 Abs. 1, 34 Abs. 1; GG Art. 12 Abs. 1; BORA §§ 3, 6 Abs. 1; BRAO § 43 b

Zulässigkeit der Versteigerung anwaltlicher Beratungsleistungen in einem Internetauktionshaus

BVerfG, Beschl. v. 19.02.2008 – 1 BvR 1886/06
Fundstelle: RVGreport 2008, S. 159 f.

1.
Die Versteigerung anwaltlicher Beratungsleistungen in einem Internetauktionshaus zielt auf die Gewinnung eines konkreten Mandats aus einem zuvor nicht bekannten Beratungsbedarf ab und ist deshalb nicht als unzulässige Werbung um ein Mandat im Einzelfall zu bewerten.

2.
Die Versteigerung einer anwaltlichen Beratung in einem Internet-
auktionshaus ist weder in gebührenrechtlicher Hinsicht (§ 14 RVG) noch wegen etwaiger Verletzung  berufsständischer Verbote berufsrechtswidrig.2

 

3.
Infolge der Freigabe der Vergütung für Beratung in § 34 RVG sind Internetauktionen über anwaltliche Beratungsleistungen nicht deshalb berufswidrig, weil der Rechtsanwalt sein Angebot wirksam nur an den Höchstbietenden richtet.

 

Leitsatz des Verfassers des RVGreport

 

Anmerkung:

Der RA bot Beratungen in dem Internetauktionshaus ebay an, nämlich

– 
zwei Beratungen bis 60 Minuten in familien- und erbrechtlichen Fragen mit Startpreisen von Ä 1,00 bzw. Ä 75,00,

– 
einen Exklusivberatungsservice
(5 Zeitstunden) mit einem Startpreis von Ä 500,00.

 

Die zuständige RAK erteilte dem RA eine Rüge, da sie die Versteigerung von anwaltlichen Dienstleistungen in der Form von Internetauktionen als marktschreierische Werbung für berufsrechtswidrig hielt.

 

Das Bundesverfassungsgericht hat den RA darin in seinem Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG verletzt gesehen.

 

a)
Das Angebot anwaltlicher Beratungsleistungen auf der Plattform eines Internetauktionshauses ist eine Werbemaßnahme. Das Verbot des § 43 b BRAO zur Werbung um ein Mandat im Einzelfall schließt aber nicht aus, einen potenziellen Mandanten zu umwerben, wenn noch kein konkreter, dem Rechtsanwalt bekannter Beratungsbedarf besteht. Eine Werbemaßnahme kann auch nicht deswegen unzulässig sein, weil sie sich an Personen richtet, zu denen zuvor kein mandantschaftliches Verhältnis besteht oder bestanden hat. Die Internet-
auktion dient vielmehr dazu, aus dem zuvor nicht bekannten Beratungsbedarf ein konkretes Mandat zu gewinnen. Somit kann die Versteigerung anwaltlicher Beratungsleistungen in einem Internetauktionshaus nicht als Werbung um ein Mandat im Einzelfall behandelt werden.

 

b)
Die Versteigerung anwaltlicher Beratungsleistungen in einem Internetauktionshaus ist auch keine unsachliche Werbung.

 

c)
Die Wiedergabe der angebotenen Beratungsleistung mit einem niedrigen Startpreis oder dem aktuellen Höchstgebot ist nicht irreführend wegen der ausdrücklichen Angabe des Preises als „Startpreis“ oder „aktuelles Höchstgebot“.

 

d)
Einer Versteigerung steht auch nicht die gebührenrechtliche Bestimmung des § 14 RVG entgegen, wonach die Vergütung bei Rahmengebühren anhand gesetzlich festgelegter Kriterien vom Rechtsanwalt zu bestimmen ist. Denn dem Rechtsanwalt steht es frei, nach Maßgabe des § 4 RVG eine von den gesetzlichen Gebühren und damit auch eine von § 14 RVG abweichende Honorarvereinbarung zu treffen. Zudem fehlt es inzwischen in zahlreichen Fällen auch an einer Grundlage für die Anwendung des § 14 RVG, weil der Rechtsanwalt durch § 34 Abs. 1 RVG angehalten wird, für einen Rat oder eine Auskunft (Beratung) eine Gebührenvereinbarung mit dem Mandanten zu treffen.

 

e)
Eine Versteigerung von Beratungsleistungen in einem Internetauktionshaus verstößt auch nicht gegen das in § 49 b Abs. 3 S. 1 BRAO geregelte Verbot, dass dem Rechtsanwalt untersagt, für die Vermittlung von Aufträgen eine Provision zu zahlen. Denn die Provision bei Internetauktionen wird nicht für die Vermittlung eines Auftrags geschuldet, sondern lediglich an das Internetauktionshaus für die Zurverfügungstellung des Mediums für die Werbung der Anbieter gezahlt.

BNotO §§ 29, 75

Amtsbezeichnung „Notar“ auf Geschäftsschild der Zweigstelle

KG, Beschl. v. 15.02.2008 – Not 26/08
Fundstelle: NJW 2008, S. 2197 f.

1.      Die Verwendung der Amtsbezeichnung „Notar“ auf dem Geschäftsschild der Zweigstelle einer von einem Rechtsanwalt und Notar betriebenen Rechtsanwaltskanzlei ist unzulässig.²

2.      Dem Anwaltsnotar in einer so genannten intraurbanen Sozietät, bei der die in einer Sozietät verbundenen Rechtsanwälte mehrere Kanzleien in der Gemeinde betreiben, ist die Verwendung seiner Amtsbezeichnung nur auf dem Amts- oder Namensschild seiner Geschäftsstelle gestattet. Anderenfalls könnte beim rechtsuchenden Publikum der Eindruck erweckt werden, auch in den anderen Büros um notarielle Dienstleistungen nachsuchen zu können.1

 Leitsatz des Gerichts

§ 56 Abs. 4 Nr. 2 SGB VI

Anrechnung von Kindererziehungszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung – Mitgliedschaft in einer berufsständischen Versorgungseinrichtung

BSG, Urteil vom 31.01.2008, B 13 R 46/06 R

Steht den berufsständischen Versorgungseinrichtungen nicht in entsprechender Weise wie der gesetzlichen Rentenversicherung ein Ausgleich aus Bundesmitteln für die Anrechnung von Kindererziehungszeiten zu, so sind die kindererziehenden Mitglieder berufsständischer Versorgungseinrichtungen für die Kindererziehungszeiten weiterhin in der gesetzlichen Rentenversicherung abgesichert.

Aus den Entscheidungsgründen:

… § 56 Abs. 4 Nr. 2 SGB VI ist verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass er der Anrechnung von Kindererziehungszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung bei dem Personenkreis der Klägerin (angestellte Apothekerin, Anm. d. Red.) nicht entgegensteht, wenn diese Zeiten in der berufsständischen Versorgung nicht annähernd gleichwertig berücksichtigt werden. Der Ausschluss der Anrechenbarkeit von Kindererziehungszeiten für wegen Mitgliedschaft in der berufsständischen Versorgung an sich von der Versicherungspflicht Befreite (§ 56 Abs. 4 Nr. 2 i. V. m. § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB VI) hält der verfassungsrechtlichen Prüfung anhand des Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) nur für den Fall Stand, dass auch während der Erziehungszeit ein prinzipiell gleichwertiger Schutz durch eine berufsständische Versorgungseinrichtung besteht. Nur dann besteht eine Doppelversorgung, die diesen Ausschluss rechtfertigt. Wegen der Unterschiedlichkeit der Versorgungssysteme ist nicht auf eine gleichartige, jedoch auf eine im Wesen gleichwertige Berücksichtigung der Kindererziehung bei der einschlägigen berufsständischen Versorgung abzustellen.

Dass Letzteres bei der Klägerin nicht gegeben ist, hat das LSG aufgrund einer Auskunft des Versorgungswerks der Landesapothekerkammer Hessen sowie der entsprechenden Satzung festgestellt. Hiernach werden Mitglieder des Versorgungswerks für den Zeitraum der Elternzeit beitragsfrei gestellt und Elternzeiten bei der Berechnung einer etwaigen Berufsunfähigkeitsrente ausgeklammert; hingegen erfolgt keine Anrechnung der Elternzeit bei der Altersrentenanwartschaft. Damit aber reichen die Kompensationen, die die für die Klägerin zuständige berufsständische Versorgungseinrichtung für die Nachteile gewährt, die der erziehende Elternteil (hier – wie meist – die Mutter) in seiner Alters- und Invaliditätssicherung typischerweise hinnehmen muss, nicht an die Absicherung entsprechender Zeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung heran. 

Die entsprechenden Diskrepanzen waren bereits Gegenstand des Beschlusses des BVerfG vom 5. April 2005 (BVerfGE 113, 1 = SozR 4-1100 Art. 3 Nr. 30) …

Bereits aus Anlass des damals vor dem BVerfG anhängigen Verfahrens sowie dessen Entscheidung war zu Recht darauf hingewiesen worden, dass der Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten in der berufsständischen Versorgung bisher der Umstand entgegenstand, dass dort … die entsprechenden Beiträge nicht vom Bund gezahlt werden. Auf dieser Grundlage ist wiederum nachvollziehbar, dass sich die Versorgungswerke bisher nicht insgesamt dazu entschlossen haben, eine der gesetzlichen Rentenversicherung vergleichbare Regelung über die Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten zu schaffen. Dies würde nach der gegenwärtigen Rechtslage einen Solidarbeitrag ihrer eigenen Mitglieder voraussetzen, obwohl diese durch ihre Steuern bereits zur Finanzierung der Kindererziehungszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung beitragen. 

Steht jedoch den berufsständischen Versorgungseinrichtungen nicht in entsprechender Weise wie der gesetzlichen Rentenversicherung ein Ausgleich aus Bundesmitteln für die Anrechnung von Kindererziehungszeiten zu, so folgt auch hieraus die Pflicht der Gerichte, die Vorschrift des § 56 Abs. 4 Nr. 2 SGB VI verfassungskonform so auszulegen, dass jedenfalls der der Klägerin entsprechende Personenkreis für die Kindererziehungszeiten weiterhin in der gesetzlichen Rentenversicherung abgesichert ist. … Diese Lösung ist daher selbst dann geboten, wenn man (wie der Senat) die Einführung einer Beitragstragung des Bundes auch in der berufsständischen Versorgung für sachgerechter hielte, weil nur sie die Systeme voneinander trennen und damit gewährleisten würde, dass alle der Alters- und Invaliditätsversorgung dienenden Beiträge und Zeiten bei einem Leistungsträger zusammenkommen. Nur so könnten im Übrigen auch Berechtigte mit lediglich einem Kind aufgrund der Kindererziehung in den Genuss höherer Leistungen kommen; denn bei Fehlen sonstiger Versicherungszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung wird nur aufgrund der Erziehung von mindes-
tens zwei Kindern die allgemeine Wartezeit (§ 50 Abs. 1 SGV VI) erfüllt. … 

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