RL 93/13/EWG Art. 3 I, 4 II, 6 I, 7 I
Transparenzgebot bei Zeitaufwand-Klausel im Arbeitsvertrag
EuGH (4. Kammer) Urteil vom 12.1.2023 - C-395/21 (DV/MA)
Fundstelle: NJW 2023, S. 903 ff.

  1. Art. 4 II RL 93/13/EWG des Rates vom 5.4.1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen in der durch die RL 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25.10.2011 geänderten Fassung ist wie folgt auszulegen: Eine Klausel eines zwischen einem Rechtsanwalt und einem Verbraucher geschlossenen Vertrags über die Erbringung von Rechtsdienstleistungen, nach der sich die Vergütung Letzterer nach dem Zeitaufwand richtet, fällt unter diese Bestimmung.

  2. Art. 4 II RL 93/13/EWG in der durch die RL 2011/83/ EU geänderten Fassung ist wie folgt auszulegen: Eine Klausel eines zwischen einem Rechtsanwalt und
    einem Verbraucher geschlossenen Vertrags über die Erbringung von Rechtsdienstleistungen, nach der sich die Vergütung Letzterer nach dem Zeitaufwand richtet, genügt nicht  dem Erfordernis gemäß dieser Bestimmung, dass die Klausel klar und verständlich abgefasst sein muss, wenn dem Verbraucher vor Vertragsabschluss nicht die Informationen erteilt worden sind, die ihn in die Lage versetzt hätten, seine Entscheidung mit Bedacht und in voller Kenntnis der wirtschaftlichen Folgen des Vertragsabschlusses zu treffen.

  3. Art. 3 I RL 93/13/EWG in der durch die RL 2011/83/ EU geänderten Fassung ist wie folgt auszulegen: Eine Klausel eines zwischen einem Rechtsanwalt und einem Verbraucher geschlossenen Vertrags über die Erbringung von Rechtsdienstleistungen, nach der sich die Vergütung Letzterer nach dem Zeitaufwand richtet und die daher den Hauptgegenstand des Vertrags betrifft, ist nicht bereits deshalb, weil sie dem Transparenzerfordernis gem. Art. 4 II der Richtlinie in der geänderten Fassung nicht entspricht, als missbräuchlich anzusehen, es sei denn, der Mitgliedstaat, dessen innerstaatliches Recht auf den betreffenden Vertrag anwendbar ist, hat dies gem. Art. 8 der Richtlinie in der geänderten Fassung ausdrücklich vorgesehen.

  4. Art. 6 I und Art. 7 I RL 93/13/EWG in der durch die RL 2011/83/EU geänderten Fassung sind wie folgt auszulegen:
    In Fällen, in denen ein zwischen einem Rechtsanwalt und einem Verbraucher geschlossener Vertrag über die Erbringung von Rechtsdienstleistungen nach der Aufhebung einer für missbräuchlich erklärten Klausel, nach der sich die Vergütung für die betreffenden Dienstleistungen nach dem Zeitaufwand richtet, nicht fortbestehen kann und in  denen die Dienstleistungen bereits erbracht sind, stehen nicht dem entgegen, dass das nationale Gericht, auch dann, wenn dies dazu führt, dass der Gewerbetreibende  für seine Dienstleistungen überhaupt keine Vergütung erhält, die Lage wiederherstellt, in der sich der Verbraucher ohne die Klausel befunden hätte. Hätte die Nichtigerklärung des Vertrags insgesamt für den Verbraucher besonders nachteilige Folgen – was das vorlegende Gericht zu prüfen haben wird –, stehen die genannten  Vorschriften nicht dem entgegen, dass das nationale Gericht der Nichtigkeit der Klausel abhilft, indem es sie durch eine dispositive oder im Fall einer entsprechenden Vereinbarung der Vertragsparteien anwendbare Vorschrift des innerstaatlichen Rechts ersetzt. Hingegen stehen die genannten Vorschriften dem entgegen, dass das nationale Gericht die für nichtig erklärte missbräuchliche Klausel ersetzt, indem es selbst bestimmt, welche Vergütung für die betreffenden Dienstleistungen angemessen ist.

Leitsatz der Redaktion der NJW

VwGO § 55 d S. 1
Pflicht zur Nutzung des beA auch bei Tätigkeiten in eigener Angelegenheit
VG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 05.05.2022 - VG 12 L 25/22
Fundstelle: NJW-Spezial 2022, S. 414 f.

Wird ein Anwalt in einer eigenen Angelegenheit gerichtlich tätig, besteht für ihn jedenfalls dann die Pflicht zur elektronischen Einreichung von Schriftsätzen, wenn er explizit als Rechtsanwalt auftritt.

Leitsatz des Autors der NJW-Spezial

FGO § 52 d
Pflicht zur Nutzung des beA auch für Mehrbänder
FG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 08.03.2022 - 8 V 8020/22
Fundstelle: NJW-Spezial 2022, S. 350 f.

Ein Anwalt ist seit dem 01.01.2022 auch dann verpflichtet, einen Antrag auf finanzgerichtliche Aussetzung der Vollziehung als elektronisches Dokument zu übermitteln, wenn er zusätzlich als Steuerberater und Wirtschaftsprüfer zugelassen ist.

Leitsatz des Autors der NJW-Spezial

DS-GVO Art. 82 Abs. 1, Abs. 2
Schmerzensgeldanspruch wegen verspäteter Datenauskunft
OLG Köln, Urteil vom 14.07.2022 - 15 U 137/21
Fundstelle: NJW 2022, S. 511

Erteilt ein Anwalt seinem Mandanten eine Datenauskunft nach Art. 15 DS-GVO erst neun Monate nach deren Beantragung, kann dies einen Schmerzensgeldanspruch aus Art. 82 Abs. 1 DS-GVO begründen.

Leitsatz des Autors der NJW-Spezial

FAO § 5 Abs. 1 Nr. 1
Fachanwaltstitel auch bei Online-Scheidungen möglich
AGH NRW, Urteil vom 29.04.2022 - 1 AGH 43/21
Fundstelle: NJW-Spezial 2022, S. 478

Eine persönliche Leistung eines Anwalts besteht in Fällen des formularmäßigen Massengeschäfts darin, zu erkennen und zu entscheiden, ob sich der vorgetragene Fall für eine formularmäßige Bearbeitung eignet, ob der Formulartext richtig verwendet worden ist oder ob in dem vorgelegten Fall aufgrund von Besonderheiten ein individueller Antrag formuliert werden muss.

Leitsatz des Autors der NJW-Spezial

§ 100 VwGO
Kein Anspruch auf Übermittlung einer Papierakte in das beA
OVG Hamburg Beschluss vom 21.04.2022 - 2 So 29/22 = BeckRS 2022, 14248
Fundstelle: NJW-Spezial 2022, S. 543

Anwälte haben keinen grundsätzlichen Anspruch darauf, dass ihnen ein Gericht deren in Papierform geführte Akte in eine elektronische Akte umwandelt und diese in das beA übersandt wird.

Leitsatz des Autors der NJW-Spezial

 

 

BGB § 134 i. V. m. BRAO § 43 a Abs. 4
Kein Interessenwiderstreit
OLG Koblenz, Hinweisbeschluss vom 01.03.2022 - 15 U 1409/21
Fundstelle: NJW-Spezial 2022, S. 478 f.

Ein Interessenwiderstreit liegt nicht vor, wenn ein Anwalt für den Pflichtteilsberechtigten und den Alleinerben die in deren Miteigentum stehenden Immobilien veräußert und ihre gemeinsamen Verbindlichkeiten und den Nachlassbestand klärt, da in einem solchen Fall die Interessen beider Mandanten gleichgerichtet sind.

Leitsatz des Autors der NJW-Spezial

Art. 38 GG, § 191 b BRAO
Elektronische Wahl zur Satzungsversammlung
BGH Beschluss vom 30.5.2022 - AnwZ (BrfG) 47)21 = BeckRS 2022, 18281
Fundstelle: NJW-Spezial 2022, S. 542

§ 191 b II 2 BRAO, nach dem die Wahlen zur Satzungsversammlung auch als elektronische Wahl durchgeführt werden können, verstößt weder gegen das Demokratiegebot noch gegen die allgemeinen Wahlgrundsätze des Art. 38 GG.

Leitsatz des Autors der NJW-Spezial

 

 

RL 2011/16/EU Art. 3 Nr. 21, 8ab I, V, VI; GRCh Art. 7, 47
Verschwiegenheitspflicht von Rechtsanwälten
EuGH (Große Kammer) Urteil vom 8.12.2022 - C-694/ 20 (Orde
van Vlaamse Balies ua/ Vlaamse Regering)
Fundstelle: NJW 2023, S. 667 ff.


Art. 8ab V RL 2011/16/EU des Rates vom 15.2.2011 über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden im Bereich der Besteuerung und zur Aufhebung der RL 77/799/EWG in der durch die RL (EU) 2018/822 des Rates vom 25.5.2018 geänderten Fassung ist im Licht von Art. 7 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union ungültig, soweit seine Anwendung durch die Mitgliedstaaten dazu führt, dass dem Rechtsanwalt, der als Intermediär im Sinne von Art. 3 Nr. 21 dieser Richtlinie in geänderter Fassung  handelt, die Pflicht auferlegt wird, andere Intermediäre, die nicht seine Mandanten sind, unverzüglich über die Meldepflichten zu unterrichten, die ihnen nach Art. 8ab VI dieser Richtlinie in geänderter Fassung obliegen, wenn dieser Rechtsanwalt aufgrund der Verschwiegenheitspflicht, der er unterliegt, von der in Art. 8ab I dieser Richtlinie vorgesehenen Meldepflicht befreit ist.


Leitatz der Redaktion der NJW

ZPO § 569 Abs. 2 i. V. m. ZPO § 130 d
Pflicht zur Nutzung des beA für anwaltlichen Insolvenzverwalter
BGH, Beschluss vom 24.11.2022
Fundstelle: NJW-Spezial 2023, S. 94


Legt ein zur Rechtsanwaltschaft zugelassener Insolvenzverwalter Rechtsmittel im Insolvenzverfahren ein, ist dieser zur elektronischen Übermittlung von Schriftsätzen an das Gericht verpflichtet.


Leitsatz des Autors der NJW-Spezial

ZPO § 130d S. 1; InsO § 4 S. 1
Elektronische Übermittlung durch anwaltlichen Insolvenzverwalter – Rechtsmittel
BGH Beschluss vom 24.11.2022 - IX ZB 11/22
Fundstelle: NJW 2023, S. 525 ff.


Ein anwaltlicher Insolvenzverwalter ist jedenfalls dann zur elektronischen Übermittlung von Schriftsätzen an das Gericht verpflichtet, wenn er Rechtsmittel im Insolvenzverfahren einlegt.


Leitsatz der Redaktion der NJW

RVG §§ 10 I 1; 11 I 1; ZPO § 130a III, IV Nr. 2; BGB §§ 126 I, III, 126a I
Anforderungen an ordnungsgemäße anwaltliche Rechnung
OLG Düsseldorf Beschluss vom 27.10.2022 - 3 W 111/22
Fundstelle: NJW 2023, S. 618 ff.


Die Honorarberechnung nach § 10 I 1 RVG geht dem Mandanten nicht in der erforderlichen schriftlichen Form zu, wenn die Berechnung vom Rechtsanwalt mit einfacher Signatur über das besondere elektronische Anwaltspostfach an das Gericht gesandt und von dort in ausgedruckter Form dem Mandanten zugeleitet wird.


Leitsatz der Redaktion der NJW

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