von Rechtsanwalt Stefan Peitscher, Hauptgeschäftsführer

KammerReport Nr. 4 vom 15.09.2016 Seite 8 ff

 

Nach einem Referentenentwurf des BMJV im Mai hat die Bundesregierung Anfang August 2016 den überarbeiteten Entwurf eines „Gesetzes zur Umsetzung der Berufsanerkennungsrichtlinie und zur Änderung weiterer Vorschriften im Bereich der rechtsberatenden Berufe“ vorgelegt. Das Reformwerk sieht auch eine Vielzahl von Änderungen in der Bundesrechtsanwaltsordnung vor. Die wichtigsten im Überblick:

Die Regelungen zum besonderen elektronischen Anwaltspostfach (beA) werden nachgebessert. In § 31 a Abs. 1 S. 1 BRAO-E soll klargestellt werden, dass die Bundesrechtsanwaltskammer das beA „empfangsbereit“ einzurichten hat. Hintergrund sind zwei einstweilige Rechtsschutzverfahren beim AGH Berlin. Dieser hat die BRAK im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, ein beA für die antragstellenden Rechtsanwälte nicht ohne deren ausdrückliche Zustimmung zum Empfang freizuschalten. Da eine technische Möglichkeit, einzelne Postfächer von der Empfangsbereitschaft auszunehmen, systembedingt nicht besteht, wird die BRAK das beA - auch nach dem 29.09.2016 - insgesamt nicht zur Verfügung stellen können, solange die AGH-Beschlüsse nicht aufgehoben oder abgeändert worden sind. Die rechtliche Grundlage hierfür soll nun das Reformgesetz bringen, welches in § 31 a Abs. 6 BRAO-E zugleich die Pflicht statuiert, die für die Nutzung des beA erforderlichen technischen Einrichtungen vorzuhalten sowie Zustellungen und den Empfang von Mitteilungen über das beA zur Kenntnis zu nehmen. Dies allerdings erst ab dem 01.01.2018. Die Zeit bis dahin soll als freiwillige Testphase zur Verfügung stehen. Näheres hierzu regelt eine Rechtsanwaltsverzeichnis- und –postfachverordnung zu § 31 c BRAO, die ebenfalls im Entwurf vorliegt.

 

Auch die Wahlen zum Kammervorstand werden reformiert. Nach geltendem Recht werden die Mitglieder des Vorstands der Rechtsanwaltskammer durch die Versammlung der Kammer gewählt, in der das Wahlrecht persönlich auszuüben ist. Nach dem Entwurf sollen die Vorstandsmitglieder künftig per Briefwahl von den Mitgliedern der Rechtsanwaltskammer gewählt werden können. Zudem soll auch eine elektronische Wahl erlaubt werden. Die Entscheidung obliegt der Rechtsanwaltskammer, die das Nähere zur Wahl durch Geschäftsordnung bestimmen können soll, § 64 BRAO-E. Eine Öffnungsklausel, die es der Rechtsanwaltskammer auch erlaubt, von einer Briefwahl abzusehen und bei einer Präsenzwahl zu verbleiben, ist nicht vorgesehen.

§ 69 Abs. 3 BRAO-E bestimmt, dass ein Vorstandsmitglied, welches vor Ablauf seiner Amtszeit ausscheidet, für den Rest seiner Amtszeit durch ein neues Mitglied ersetzt wird. Davon soll abgesehen werden können, wenn die Zahl der Mitglieder des Vorstands nicht unter 7 sinkt. Die Ersetzung soll durch das Nachrücken einer bei der letzten Wahl nicht gewählten Person oder durch eine Nachwahl erfolgen können. Das Nähere soll auch hier die Geschäftsordnung der Rechtsanwaltskammer regeln können.

Die Änderungen des Wahlsystems sollen zum 01.07.2018 in Kraft treten.

 

Die allgemeine anwaltliche Fortbildungspflicht gem. § 43 a Abs. 6 BRAO wird mit Leben gefüllt und als prüfbare und sanktionsbewehrte Norm ausgestaltet. Hierzu soll die Satzungsversammlung ermächtigt werden, in der BORA das Nähere zu Inhalt, Art und Umfang der Fortbildung zu regeln. Eine entsprechende Kompetenzzuweisung enthält § 59 b Abs. 2 lit. h BRAO-E. Erste Vorüberlegungen hat die Satzungsversammlung bereits angestellt. Diskutiert werden eine Pflichtfortbildung von 40 Stunden jährlich, auf die etwaige Fachanwaltsfortbildung gem. § 15 FAO angerechnet wird. Festlegungen wurden aber noch nicht getroffen.

 

Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte werden in § 43 e BRAO-E verpflichtet, innerhalb des ersten Jahres ihrer erstmaligen Zulassung an einer Lehrveranstaltung über das rechtsanwaltliche Berufsrecht teilzunehmen. Damit soll gewährleistet werden, dass sie über die erforderlichen Kenntnisse im Berufsrecht verfügen, da diese, so der Entwurf, für die Sicherung der Qualität anwaltlicher Dienstleistungen von grundlegender Bedeutung seien. Die Lehrveranstaltung soll mindestens 10 Zeitstunden dauern und die wesentlichen Bereiche des Berufsrechts umfassen müssen. Weitere Vorgaben zu Art und Inhalt der Fortbildungsveranstaltung macht der Gesetzentwurf nicht, sondern überlässt die Ausgestaltung der Satzungsversammlung. Unverbindlich führt die Begründung des Entwurfs aus, Gegenstand der Lehrveranstaltung könnte die Vermittlung von Kenntnissen in folgenden Bereichen sein: Organisation des Berufs, Grundpflichten des Rechtsanwalts (Unabhängigkeit, Verschwiegenheit - einschließlich der prozessualen Folgen für Zeugnisverweigerung und Beschlagnahme-, Verbot der Vertretung widerstreitenden Interessen, Pflichten beim Umgang mit anvertrauten Vermögenswerten, Fortbildung), Aufklärungs- und Informationspflichten (u. a. zur Vergütung) gegenüber der Mandantschaft, Berufsaufsicht und berufsrechtliche Sanktionen, Grundzüge des anwaltlichen Haftungsrechts.

Die Verpflichtung zum Besuch einer Lehrveranstaltung soll, um einen gewissen zeitlichen Vorlauf zu ermöglichen, nicht gelten, wenn der Rechtsanwalt vor dem 01.01.2018 zugelassen wurde oder er nachweist, dass er innerhalb von sieben Jahren vor der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft an einer entsprechenden Lehrveranstaltung teilgenommen hat. Der 7-Jahres-Zeitraum soll sich an der üblichen Dauer von Studium und Referendariat orientieren.

 

Eine bei Berufspflichtverstößen durch den Vorstand der Rechtsanwaltskammer ausgesprochene Rüge soll zukünftig gem. § 74 Abs. 1 S. 2 BRAO-E mit einer Geldbuße von bis zu 2.000,00 € verbunden werden können. Der Gesetzgeber reagiert hiermit auf die teils geäußerte Kritik, die Rüge sei als Sanktionsmittel ein „zahnloser Tiger“. Die Neuregelung soll, so die Begründung des Entwurfs, mit einer einfachen, praktikablen und effektiven Sanktionsmöglichkeit die Aufsicht und Kontrolle von Berufspflichten verbessern.

 

Für Syndikusrechtsanwälte sieht der Entwurf vor, mit der Zulassung rückwirkend eine Kammermitgliedschaft zu dem Zeitpunkt zu begründen, in dem der Zulassungsantrag bei der Rechtsanwaltskammer eingegangen ist. Nach derzeitiger Rechtslage setzt die Befreiung von der Rentenversicherungspflicht gem. § 6 SGB VI die Kammermitgliedschaft voraus, die mit Aushändigung der Zulassungsurkunde oder Zustellung der Zulassungsentscheidung wirksam wird. Dies kann je nach Verfahrensdauer der Antragsbearbeitung dazu führen, dass eine Pflichtmitgliedschaft in der Kammer wegen der konkret ausgeübten Tätigkeit erst zeitlich nachfolgend zum Beginn der jeweiligen Tätigkeit begründet wird. In sozialrechtlicher Hinsicht folgt daraus, dass für einen Übergangszeitraum zwischen der Aufnahme einer neuen oder geänderten Tätigkeit als Syndikusrechtsanwalt und dem Wirksamwerden der Zulassungsentscheidung Beiträge zur Rentenversicherung zu zahlen sind, die später ggf. nicht oder nur mit einer Aufstockung mit freiwilligen Beiträgen zu Leistungsansprüchen aus der Rentenversicherung führen. Um einer solch temporären, zumeist unerwünschten Beitragszahlung zur Rentenversicherung vorzubeugen und kontinuierliche Rentenbiografien erreichen zu können, ist nun eine rückwirkende Begründung der Kammermitgliedschaft vorgesehen.

 

Neues gibt es auch zur anwaltlichen Handakte. Deren Aufbewahrungsdauer soll gem. § 50 Abs. 1 S. 2 BRAO-E von fünf auf sechs Jahre verlängert werden. In § 50 Abs. 2 S. 1 BRAO-E ist nun ausdrücklich geregelt, dass Dokumente, die der Rechtsanwalt aus Anlass seiner beruflichen Tätigkeit von dem Auftraggeber oder für ihn erhalten hat, auf Verlangen herausgegeben werden müssen.

 

Von besonderer Bedeutung ist schließlich auch die geplante Reform des § 53 a StPO. Der dort bislang verwendete Begriff der „Berufshelfer“ wird durch die Worte „der mitwirkenden Personen“ ersetzt. Mitwirkende Personen in diesem Sinne sollen gem. § 53 a Abs. 1 StPO-E solche sein, die im Rahmen eines Vertragsverhältnisses, einer berufsvorbereitenden Tätigkeit oder einer sonstigen Hilfstätigkeit an der beruflichen Tätigkeit eines Berufsgeheimnisträgers mitwirken. Der Begriff „Vertragsverhältnis“ soll dabei nicht allein Anstellungs- oder Beschäftigungsverhältnisse erfassen, sondern vielmehr auch solche Personen in den Schutzbereich des § 43 a StPO-E einbeziehen, die aufgrund eines Dienst-, Werk- oder Geschäftsbesorgungsvertrags als selbstständige externe Dienstleister an der Tätigkeit des Berufsgeheimnisträgers teilnehmen